Mittwoch, 12. März 2014

Aus, Schluss und vorbei



Nichts hält ewig, verehrter Leser und bis auf die Wurst hat alles ein Ende. Das gilt besonders für zwischenmenschliche Beziehungen. Wenn man gerade diesen speziellen Punkt im Leben erreicht hat bzw. glaubt ihn erreicht zu haben, gibt es nur noch ein großes Hindernis, das einen von seiner grenzenlosen Freiheit trennt – das Aufkündigen der gemeinsamen Liebe zueinander. Nun leben wir in einem hochtechnologisierten Medienzeitalter der totalen Vernetzung. Wir kaufen im Internet ein, bestellen Essen, schreiben geschäftliche E-Mails, gratulieren zum Geburtstag, flirten, senden digitale Blumensträuße und bezeugen unsere immerwährende Liebe. Warum sollten wir dann nicht auch über diesen elektronischen Weg Schluss machen dürfen? Per SMS / Facebook / Twitter / Instagram / Weißderkuckuck eine Beziehung beenden!? Rappelt’s dem hier Schreibenden im Kopfe? Was um Himmels willen schwatzt er denn da wieder für ungewaschenes Zeug!

Wurst mit zwei Enden

Ich verstehe deine Aufregung, verehrter Leser. Glaubt man den Umfragen und Statistiken, so verschmäht fast jeder das Schlussmachen per SMS & Co (je nach Umfrage bis zu 92 Prozent), gleichzeitig wird diese schnelle und durch Distanz konfliktvermeidende Methode aber auch sehr regelmäßig angewendet (bis zu 56 Prozent). Vor nicht allzu langer Zeit schaltete sich diesbezüglich selbst die ehrwürdige Knigge Gesellschaft, Bewahrer des vortrefflichen Benehmens, zu dieser Angelegenheit ein. Ihr Verdikt sorgte für spitze Ohren: Kein Stilbruch, sondern zeitgemäß. Nicht die Art und Weise der Trennung ist das Schlimme, sondern die Trennung an sich. Solange die Form dabei bewahrt wird, geht es absolut in Ordnung. Ein neuer Ansatz zur Lösung einer altbekannten Thematik?

"Über den Umgang mit Menschen" von Freiherr Adolph Franz Friedrich Ludwig Knigge war eine soziologische Aufklärungsschrift. Durch Mißinterpretation der ungewaschenen Massen wurde es zu einem Benimmbuch degradiert.
 
Nein, ganz so neu ist dieser Gedanke nicht, denn mich erinnert es an die folgende Geschichte. Es lebte einmal ein Ritter, der hieß Reinhart und war Herr von Westerburg. Er ritt im Gefolge Kaiser Ludwigs. Reinhart, obwohl von schöner Gestalt, klarem Geist und einfühlsam rücksichtsvoll im emotionalen Empfinden, war nicht gefeilt vor den Problemchen mit dem schönen Geschlecht, das zu Hause auf Reinharts Anbetung wartete. So stimmte der vortreffliche Ritter eines Tages ein kleines Lied der Klage an.*

Wenn ich mir (wegen dieser Frau) den Hals würd brechen,
wer bezahlt mir dann den Schaden?

Niemand habe ich, der mich könnt rächen,
weil ich bin ohne Freund.

Wo ich mit meinem Leben bleib,
darauf muss ich selber schau‘n

Denn auf den Trost der ach so lieben Dame,
auf den kann ich nicht bau‘n.

Will sie mich nicht, die Zarte,
dann wer ich ganz schnell weiter geh’n.

Auf ihre Gefühle achte ich dann nicht,
und lasse sie im Regen steh’n.

Als das der Kaiser hörte, gab es einen gewaltigen Rüffel für Reinhart. Wie er denn da über diese Frau daherredet! Das geht ja ganz und gar nicht! Er muss das Lied zu ihren Gunsten verändern. Da versprach der brave Ritter sich zu bessern, versank in kurzer Stille und hebte sodann zu singen an.

Oh wie groß ist mein Jammer?
Ich bin ganz und gar verdrossen!
Der Grund ist eine lieblich Frau.
Etc.**

Zufrieden war da der Kaiser und sprach: „Westerburg, du hast dich sehr gebessert!“

Das Medium (Lied als SMS des Mittelalters – Konfliktvermeidung durch Distanz) blieb dasselbe. Auch die Message änderte sich nicht (öffentliches Verstoßen der Frau ist das mittelalterliche Schlussmachen). Aber nun hatte das Ganze die Form eines gesellschaftlich akzeptierten Minnelieds. Wir lernen daraus: Schon bei den wackeren Rittersleut war Medium und Message für’s Schlussmachen egal, solange die Form dabei gewahrt blieb.

Formvollendet verabschiedet sich auch der Stein des Anstoßes, bis zum nächsten Mal, küss die Hand und Cheerio.


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*Etwas freier übersetzt als sonst.
**Tatsächlich ist das Lied mit dem „etc.“ gedruckt!

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