Mittwoch, 5. Februar 2014

Haarige Angelegenheit II



Tja, nun hat sich der Winter also doch noch zu uns her verirrt, aber Obacht, verehrter Leser, der Sommer lauert bestimmt schon hinter der übernächsten Hausecke! Und bevor der Sommer kommt, müssen die Haare weichen (das behauptet zumindest die Gesellschaft – wer auch immer dieser ominöse Zusammenschluss von Menschen sein mag). Das gilt ganz besonders für dich, verehrte Leserin! Es sei denn, du willst dich zum Symbol der rebellischen Weiblichkeit hochstilisieren lassen. Ähnlich erging es damals in den 1980ern einer gewissen Nena, die bei Konzerten ihre Achselhaare aufblitzen lässt, was für einen derartig lauten Medienknall sorgt, als wären soeben neunundneunzig Düsenflieger miteinander kollidiert, denn das Entfernen der weiblichen Achsel-, Bein- und Schamhaare hat eine sehr lange Tradition.



Vor sechstausend Jahren ist ein haarloser Körper in den Hochkulturen von Mesopotamien und Ägypten das Schönheitsideal schlechthin. Mit Hilfe von Harz, Pflanzenextrakten, Bienenwachs, Eselsfett, Fledermausblut(!), Pech, Messern, geschliffenen Steinen und Muscheln schneidet, reißt und zupft man was das Zeug hält. Alles muss weg! Vom Kopfhaar über die Augenbrauen bis zum Schamhaar – nur glatt ist gut. Dabei hatte die ganze Prozedur nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Gründe, denn ohne Körperbehaarung finden Läuse oder Milben weniger leicht ein Zuhause. Besonders bei den Azteken, aber auch vielen anderen indigenen Kulturen in Südamerika und Afrika wird fleißig an den Schamhaaren gesägt, denn diese gelten als zutiefst animalisch – raaaaarh. Die Alten Griechinnen sind oftmals unten ohne unterwegs. Mit Hilfe des Arsen-Schwefel-Minerals Auripigment epiliert man sich ruck zuck die Schamhaare. Vor allem in der klassischen Epoche (500 bis etwa 323 vor Christus) scheint die vollständige Entfernung voll im Trend zu liegen. Später setzt man mehr auf schnittig teilrasierte Venushügel. In den großen römischen Badeanlagen wird sehr stark auf Hygiene gesetzt. Hier hegt und pflegt das weibliche Geschlecht seine Luxuskörper. Das Zupfen der Augenbrauen und Rasieren von Bein-, Achsel- und Schambehaarung steht an der Tagesordnung. Zu den Errungenschaften des römischen Weltreichs zählen nicht nur fortschrittliche Medizintechnik, Toiletten mit fließendem Wasser, Fußbodenheizungen, Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Straßen- und Brückenbau, semiindustrielle Getreidemühlen, das systematische Zerstückeln und Ausplündern seiner Feinde, sondern auch die Verbreitung der römischen Körperkultur von Europa bis nach Nordafrika und den Orient.



Damals wie heute müssen Moslems sich nach den islamischen Reinlichkeitsregeln zumindest alle vierzig Tage enthaaren - Allahu akbar! Die Araber lassen sich schon im Mittelalter vom römischen Badespaß anstecken. Im Hamam wird geplantscht, geschwitzt, rasiert und epiliert. In sandigeren Gefilden, wo Wasser lieber in, statt auf den Körper geschüttet wird, ist ein reduziertes Muschikatzenfell hygienisch von Vorteil. Ein besonders haariges Zeremoniell findet am Tag vor der Traumhochzeit statt. Alles was der Braut bleibt sind ihre Kopfhaare und Augenbrauen – der glatte Körper als Symbol der Unbeflecktheit und Ergebenheit. Ob europäische Ritter und Hofdamen dem Zwischenbeinwuschel zu Leibe rücken ist ungewiss, Buchmalereien und Reliefdarstellungen lassen aber darauf schließen.



Bis zum 20. Jahrhundert wurde dieses Thema öffentlich scheinbar kaum am Schopf gepackt. Frühe Aktfotografien zeigen zwar ein strahlendes senkrechtes Lächeln, doch in den ersten sechzig Jahren sah die Realität wohl anders aus. Schließlich sorgt die Hippie-Bewegung für eine Aufwertung der Körperbehaarung. In den 90ern passiert es dann: Die breite Öffentlichkeit wird mit der Technik des Brazilian Waxing konfrontiert. Eine Fernsehserie namens Sex and the City soll auch ihren Teil dazu beitragen. Plötzlich sind Schamhaare (bzw. die Entfernung selbiger) wieder in aller Munde. Dalene Kurtis ist der Name des ersten Playmates mit blankem Intimbereich. Glückwünsch Miss September 2001! Seither schieben Intimbarbiere Überstunden. In den Medien gibt es immer mehr nackte Haut, die Itsy Bitsy Teenie Wennie Strandbikinis werden kleiner und kleiner, prominente Damen zeigen es vor, es gibt kein Entkommen vor dem Kult – die neue Sichtbarkeit führt zu Schönheitsnormen und was einmal private Körperregion war, ist nun dem Gestaltungsdruck der Öffentlichkeit ausgesetzt, sagt Elmar Brähler, seines Zeichens Professor für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie.



Nun denn, verehrte Leserin, geschwind das Fledermausblut aus dem Badezimmerkästchen hervorgezaubert und auf geht’s. Dann noch schnell den Landing Strip getönt. Die Bein- und Achselhaare mit Stumpf & Stil herausgefetzt. Jetzt passt es! Aber wenn du nun verstimmt bist, kann ich dich beruhigen. Auch der Männerwelt knospen Borsten an den unmöglichsten Stellen und wollen bekämpft werden. Darauf gibt dir der hier Schreibende sein Wort.

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