Tja, nun hat sich der Winter also doch
noch zu uns her verirrt, aber Obacht, verehrter Leser, der Sommer lauert
bestimmt schon hinter der übernächsten Hausecke! Und bevor der Sommer kommt,
müssen die Haare weichen (das behauptet zumindest die Gesellschaft – wer auch
immer dieser ominöse Zusammenschluss von Menschen sein mag). Das gilt ganz besonders
für dich, verehrte Leserin! Es sei denn, du willst dich zum Symbol der
rebellischen Weiblichkeit hochstilisieren lassen. Ähnlich erging es damals in
den 1980ern einer gewissen Nena, die bei Konzerten ihre Achselhaare aufblitzen
lässt, was für einen derartig lauten Medienknall sorgt, als wären soeben
neunundneunzig Düsenflieger miteinander kollidiert, denn das Entfernen der
weiblichen Achsel-, Bein- und Schamhaare hat eine sehr lange Tradition.
Vor sechstausend Jahren ist ein
haarloser Körper in den Hochkulturen von Mesopotamien und Ägypten das
Schönheitsideal schlechthin. Mit Hilfe von Harz, Pflanzenextrakten, Bienenwachs,
Eselsfett, Fledermausblut(!), Pech, Messern, geschliffenen Steinen und Muscheln
schneidet, reißt und zupft man was das Zeug hält. Alles muss weg! Vom Kopfhaar
über die Augenbrauen bis zum Schamhaar – nur glatt ist gut. Dabei hatte die ganze
Prozedur nicht nur ästhetische, sondern auch praktische Gründe, denn ohne
Körperbehaarung finden Läuse oder Milben weniger leicht ein Zuhause. Besonders
bei den Azteken, aber auch vielen anderen indigenen Kulturen in Südamerika und
Afrika wird fleißig an den Schamhaaren gesägt, denn diese gelten als zutiefst
animalisch – raaaaarh. Die Alten Griechinnen sind oftmals unten ohne unterwegs.
Mit Hilfe des Arsen-Schwefel-Minerals Auripigment epiliert man sich ruck zuck
die Schamhaare. Vor allem in der klassischen Epoche (500 bis etwa 323 vor
Christus) scheint die vollständige Entfernung voll im Trend zu liegen. Später
setzt man mehr auf schnittig teilrasierte Venushügel. In den großen römischen
Badeanlagen wird sehr stark auf Hygiene gesetzt. Hier hegt und pflegt das
weibliche Geschlecht seine Luxuskörper. Das Zupfen der Augenbrauen und Rasieren
von Bein-, Achsel- und Schambehaarung steht an der Tagesordnung. Zu den
Errungenschaften des römischen Weltreichs zählen nicht nur fortschrittliche
Medizintechnik, Toiletten mit fließendem Wasser, Fußbodenheizungen,
Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Straßen- und Brückenbau, semiindustrielle
Getreidemühlen, das systematische Zerstückeln und Ausplündern seiner Feinde,
sondern auch die Verbreitung der römischen Körperkultur von Europa bis nach Nordafrika
und den Orient.
Damals wie heute müssen Moslems sich
nach den islamischen Reinlichkeitsregeln zumindest alle vierzig Tage enthaaren -
Allahu akbar! Die Araber lassen
sich schon im Mittelalter vom römischen Badespaß anstecken. Im Hamam wird
geplantscht, geschwitzt, rasiert und epiliert. In sandigeren Gefilden, wo
Wasser lieber in, statt auf den Körper geschüttet wird, ist ein reduziertes
Muschikatzenfell hygienisch von Vorteil. Ein besonders haariges Zeremoniell
findet am Tag vor der Traumhochzeit statt. Alles was der Braut bleibt sind ihre
Kopfhaare und Augenbrauen – der glatte Körper als Symbol der Unbeflecktheit und
Ergebenheit. Ob europäische Ritter und Hofdamen dem Zwischenbeinwuschel zu
Leibe rücken ist ungewiss, Buchmalereien und Reliefdarstellungen lassen aber
darauf schließen.
Bis zum 20. Jahrhundert wurde dieses
Thema öffentlich scheinbar kaum am Schopf gepackt. Frühe Aktfotografien zeigen
zwar ein strahlendes senkrechtes Lächeln, doch in den ersten sechzig Jahren sah
die Realität wohl anders aus. Schließlich sorgt die Hippie-Bewegung für eine Aufwertung
der Körperbehaarung. In den 90ern passiert es dann: Die breite
Öffentlichkeit wird mit der Technik des Brazilian Waxing konfrontiert. Eine
Fernsehserie namens Sex and the City soll auch ihren Teil dazu beitragen.
Plötzlich sind Schamhaare (bzw. die Entfernung selbiger) wieder in aller Munde.
Dalene Kurtis ist der Name des ersten Playmates mit blankem Intimbereich.
Glückwünsch Miss September 2001! Seither schieben Intimbarbiere Überstunden. In
den Medien gibt es immer mehr nackte Haut, die Itsy Bitsy Teenie Wennie
Strandbikinis werden kleiner und kleiner, prominente Damen zeigen es vor, es
gibt kein Entkommen vor dem Kult – die neue Sichtbarkeit führt zu Schönheitsnormen
und was einmal private Körperregion war, ist nun dem Gestaltungsdruck der
Öffentlichkeit ausgesetzt, sagt Elmar Brähler, seines Zeichens Professor für
Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie.
Nun denn, verehrte Leserin, geschwind
das Fledermausblut aus dem Badezimmerkästchen hervorgezaubert und auf geht’s. Dann
noch schnell den Landing Strip getönt. Die Bein- und Achselhaare mit Stumpf
& Stil herausgefetzt. Jetzt passt es! Aber wenn du nun verstimmt bist,
kann ich dich beruhigen. Auch der Männerwelt knospen Borsten an den
unmöglichsten Stellen und wollen bekämpft werden. Darauf gibt dir der hier
Schreibende sein Wort.
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